Pflicht und Kür

17.8.2019

So heisst es im Sport, etwa im Eiskunstlaufen oder beim Turmspringen, bei denen es jeweils ein Pflicht- und ein Kürprogramm zu absolvieren gilt. Das gilt aber auch für jedes einzelne Leben, und es zeigt sich auch darin, dass etwa das Muster des Fingerabdrucks unveränderlich ist (Pflicht), während die Handlinien sich im Lauf des Lebens durchaus verändern können (Kür).

Heute spricht alles von der Kür, von den grenzenlosen Möglichkeiten, die der einzelne hat, vom Individualismus, der freien Wahl aller Lebensbereiche bis hin zum eigenen Geschlecht. Doch das Pendel hat längst begonnen, in die andere Richtung zu schwingen: Täglich werden neue Gesetze und Regeln erlassen. Das gesamte Leben wird reglementiert und in Bahnen gelenkt, die das individuelle Schicksal ausschliessen. Die Staatssysteme nehmen allmählich – und dies bisweilen unerkannt – totalitäre Formen und Strukturen an.

Wirkliche Freiheit kennt ihre Grenzen, und wer Grenzen zieht, darf damit das Leben nicht ersticken. Dementsprechend leitet sich die Pflicht von »Sorgen«, «Pflegen«, »Gebot« ab, während Kür die »Wahl« ist. Das wird auch im Begriff der »Kurfürsten« deutlich, die bis ins Jahr 1806 den Römischen Kaiser deutscher Nation wählten oder eben kürten.

Veröffentlicht am 17.08.2019 8:01 Uhr.