Diversität
Adalbert Stifter schreibt in der 1853 erschienenen Erzählung »Der Bergkristall«:
»… Die Bewohner sind hier viel wohlhabender als in Gschaid, und obwohl nur drei Wegstunden zwischen den beiden Tälern liegen, was für die an grosse Entfernungen gewöhnten und Mühlseligkeiten liebenden Gebirgsbewohner eine unbedeutende Kleinigkeit ist, so sind doch Sitten und Gewohnheiten in den beiden Tälern so verschieden, selbst der äussere Anblick derselben ist so ungleich, als ob eine grosse Anzahl Meilen zwischen ihnen läge. Das ist in Gebirgen sehr oft der Fall und hängt nicht nur von der verschiedenen Lage der Täler gegen die Sonne ab, die sie oft mehr oder weniger begünstigt, sondern auch von dem Geiste der Bewohner, der durch gewisse Beschäftigungen nach dieser oder jener Richtung gezogen sind. Darin stimmen aber alle überein, dass sie an Herkömmlichkeiten und Väterweise hängen, grossen Verkehr leicht entbehren, ihr Tal ausserordentlich lieben und ohne demselben kaum leben könnten.«
Das hat sich heute grundlegend geändert. Die Dörfer sehen auch in den Bergen mittlerweile überall gleich aus. Die Bewohner arbeiten das gleiche, haben die gleichen Sitten und Gewohnheiten, und sie entbehren den grossen Verkehr keinesfalls, vielmehr leben von ihm, und an Herkömmlichkeiten und Väterweise hängt heute kaum noch jemand.
Veröffentlicht am 20.10.2024 14:05 Uhr.